für Hans Dreßl findet am Mittwoch, 31. Mai, in München statt. Die Urnenbeisetzung beginnt um 9 Uhr auf dem Westfriedhof. Wenn Sie online kondolieren möchten, haben Sie auf www.trauer.de die Möglichkeit dazu.
Mittenwald/München – Ein waschechter Münchner Roter inmitten der Mittenwalder Bergwelt. Schwer vorstellbar für manchen Einheimischen, aber 36 Jahre Realität. „Die Welt könnt’ schon etwas sozialdemokratischer und aufgeklärter sein“, sinnierte einst Hans Dreßl, der langjährige Wirt der Hochlandhütte (1630 Meter). Im Alter von 76 Jahren hat dieser ebenso humorvolle wie tiefsinnige Geist den langen Kampf gegen eine heimtückische Krankheit verloren.
Bis eine Stunde vor Dreßls Tod wachte sein jüngerer Bruder Fritz (73) im Klinikum an dessen Bett. „Wir hatten immer ein sehr familiäres Verhältnis“, erinnert sich Fritz Dreßl, der in Gedanken bei seiner Schwägerin Dr. Irmtraud Kasy-Dreßl ist. Von 1978 bis 2015 hat sie und mit ihrem Mann im Auftrag der Münchner Alpenvereinssektion Hochland die gleichnamige Hütte unterhalb des Wörners bewirtschaftet – sie als Pächterin, er als AV-Referent. In diesem langen Zeitraum rackerten die beiden jeden Bergsommer ohne Ruhetag von Pfingsten bis Oktober von 6 bis 23 Uhr täglich. Und so paradox es klingt: Dabei haben die beiden ihr privates Glück gefunden, ihren Traum von Freiheit gelebt.
Nichts deutet in jungen Jahren darauf hin, dass aus einem Großstadtkind einmal der Mann der Berge werden könnte. Hans Dreßl kommt am 28. Mai 1946 in der Nachkriegszeit in München zur Welt. Er und sein Bruder Fritz wachsen an der Schwanthalerhöhe im Westend unweit der Bavaria und der Theresienwiese auf. Der Vater schuftet 45 Jahre für einen Automobilriesen. Kein Wunder also, dass Hans Dreßl in diesem klassischen Arbeitermilieu politisch von der SPD sozialisiert wird. Zumal deren Zugpferd seinerzeit Willy Brandt ist. Als ihm von konservativer Seite 1971 wegen seiner Ostverträge der Sturm der Empörung entgegenbläst, bekennt der gelernte Fernmelde-Techniker Farbe. Bis zu seinem Ableben hält Dreßl 52 Jahre seiner SPD die Treue.
„Es war eine Freude, mit dem Hans zu diskutieren. Es waren immer substanzielle Gespräche“, blickt Claus Haberda auf viele Stunden mit dem väterlichen Freund zurück. Haberda fungiert als Zweiter Vorsitzender der 950 Mitglieder starken Sektion Hochland. Doch Berührungspunkte zu Hans Dreßl hat der Mann aus Rottach-Egern schon in Jugendjahren. Anfang der 1980er drängt es Haberda zu den Mittenwalder Gebirgsjägern – eine Einheit, bei der Hans Dreßl zwischen 1966 und 1978 als Zeitsoldat diente. Tatsächlich schafft es Haberda in die Edelweißkaserne. Einmal unternimmt er nach Dienstschluss einen Berglauf hinauf zur Hochlandhütte, die die Dreßls damals schon einige Jahre bewirtschaften. Als Haberda in kurzer Hose und T-Shirt oben völlig verschwitzt ankommt, fragt er leicht frierend den Hüttenwirt. „Du Hans, könntest Du mir eine Jacke leihen?“ Doch der antwortet: „Da hättest Du schon selber dran denken müssen, ein Gebirgsjäger jammert nicht.“ Klare Ansage, doch Haberda hatte seine Lektion gelernt. „Väterliche Schule“ nennt er das ohne Groll rückblickend.
Es soll auch vorgekommen sein, dass Hans Dreßl spätabends Trunkenbolde aus seiner Hütte geworfen hat. „Denkt’s an die 20 anderen, die hier schlafen wollen“, gab er ihnen mit auf den Weg nach unten. Vorher hatte er ihnen noch Taschenlampen in die Hand gedrückt. „Harte Schale, weicher Kern“, umschreibt Freund Haberda das Phänomen Hans Dreßl.
Dieser hat das revolutionäre Streben der 68er-Bewegung förmlich aufgesaugt. Vielleicht war dieses Denken auch der Grund, warum Oberfeldwebel Dreßl nach seiner Bundeswehrzeit einen Rückzugspunkt im Gebirge suchte. „Es war nicht die Naturverbundenheit“, betont Haberda. „Der Hans hat sich unten in der Gesellschaft nicht zurechtgefunden.“
Die Aufgabe in der Hochlandhütte war für ihn und seine Irmi aus Wien, die er 1972 bei den Olympischen Spielen in München kennengelernt hatte, sozusagen das Ticket in die Freiheit. Und Dreßl, der gleichzeitig 50 Jahre als Hüttenreferent (1970 bis 2020) fungierte, legte ungeheuren Fleiß in der Unterkunft unterhalb des Wörners an den Tag. Hans Dreßl war ein Tausendsassa: Elektriker, Maurer, Zimmerer, Mechaniker. „Der hat alles beherrscht“, erzählt Haberda. Mit dem Hang zur Perfektion. „Halbe Sachen gab es nicht.“ Kein Wunder also, dass es in der Hochlandhütte die am besten ausgestattete Werkstatt im Hochgebirge gab.
Das Münchnerische hat Hans Dreßl nie abgelegt. Er konnte kernig, knorrig und kauzig sein – ein echter Grantler eben. „Ein kantiger Charakter“, beschreibt ihn Haberda. „Doch im Regen hat dich der Hans nie stehen lassen.“ Er sei „extrem hilfsbereit“ gewesen. Nebenbei verschlang der höchste Sozialdemokrat Deutschlands Bücher. „Unglaublich polyglott“ war er, der Hüttenwirt mit Tiefgang. Für Claus Haberda steht fest: „Hans Dreßl hatte eine große Seele.“